Von wegen wisch und weg - Blutspuren
13. November 2020 • Artikelserie Kriminaltechnik & Forensik

Was ein einzelner Tropfen Blut über den Täter verraten kann und wie Blutspuren am Tatort gesichert werden, weißt du sicher noch aus dem letzten Artikel. Doch was ist mit Blutspuren, die nicht auf Anhieb sichtbar sind? Weil sie zu klein sind, sich vom Untergrund nicht abheben oder der Täter sich besonders viel Mühe gemacht hat, sie zu beseitigen? Wer Krimiserien schaut, kennt die Szenen am Tatort: Eine Flüssigkeit wird versprüht und plötzlich beginnen die vermeintlich unsichtbaren Spuren zu leuchten. Was genau dahinter steckt und welche anderen Blutnachweismethoden es gibt, erfährst du hier.
Um latente (nicht sichtbare) Blutspuren oder sogenannte maskierte Blutspuren sichtbar zu machen, gibt es verschiedene Methoden.
Sichtbarmachung mit forensischen Lichtquellen
Je nach dem auf welcher Oberfläche und in welcher Intensität die Blutspur aufgetragen wurde, ist sie aufgrund eines zu geringen Kontrastes für das menschliche Auge unter Normalbeleuchtung nicht sichtbar. Hierbei spricht man dann von maskierten Blutspuren. Um diese zu visualisieren, nutzt man die physikalisch-optischen Eigenschaften, bzw. das sogenannte Absorptionsverhalten von Blut. Das optimale Absorptionsverhalten von Blut liegt bei einer Wellenlänge von ca. 415 nm (Nanometer). Beleuchtet man Blutspuren mit Licht dieser Wellenlänge, erscheinen sie dunkel bis tiefschwarz, sodass ein sichtbarer Kontrast entsteht.
Manche sehr dunkle Oberflächen bzw. Spurenträger absorbieren (= aufnehmen, aufsaugen) dieses Licht aber genauso stark wie Blut. Um hier einen Kontrast zu erreichen, kann man die Lichtquelle in den Infrarotbereich (700-1000 nm) legen. Blut absorbiert in diesem Bereich immer noch stark, wohingegen viele Spurenträger das Licht teilweise reflektieren. Für diesen Vorgang ist allerdings eine Infrarotkamera erforderlich, da das menschliche Auge Licht nur mit einer Wellenlänge von 400-700 nm wahrnehmen kann. Diese Methoden eignen sich aber nur, wenn die Spur weder verdünnt noch durch Reinigungsmittel behandelt wurde.
Leuchtendes Blut – was steckt dahinter?
Szenario: Eine Leiche wird in einem Haus gefunden. Die Todesursache: Stichverletzungen mit hohem Blutverlust. Am vermuteten Tatort jedoch keinerlei sichtbare Spuren auf ein Verbrechen. Im Gegenteil: Es ist alles blitzblank, kein Blut, kein gar nichts. Hier hat der Täter wohl nicht nur einen Putzeimer schwingen lassen.
Doch da hat er die Rechnung ohne die Spurensicherung abgeschlossen. Diese rückt an, dunkelt den Raum ab, fängt an zu sprühen und dann wie Magie: Ein riesiger leuchtend blauer Blutfleck erscheint auf dem Boden. Winzige Blutspritzer leuchten an der Wand wie Sterne. Wie im Teaser schon angerissen, kennen Krimi-Fans genau solche Bilder aus Film und Fernsehen. Magisch ist das Verfahren aber nicht, sondern beruht auf der sogenannten Chemilumineszenz. Eine chemischen Reaktion mit Luminol, bei der Energie in Form von Licht abgegeben wird.
Luminol

Luminol (3-Aminophthalsäurehydrazid) ist ein blassgelbes, kristallines Pulver, das in der Kriminalistik zum Nachweis von latenten Blutspuren verwendet wird. Es ist eine feste, chemische Verbindung, die löslich in Basen ist, weswegen für die Chemilumineszenz-Reaktion auch Natronlauge verwendet wird. Luminol wird seit 1930 als Chemikalie für die Sichtbarmachung von Blutspuren verwendet. Die Luminolsprühmethode kommt dann zum Einsatz, wenn verdünnte oder durch Reinigungsmaßnahmen am Tatort nicht sichtbare Blutspuren vorliegen könnten und diese sichtbar gemacht werden sollen. Die Visualisierungsmethode wird aber auch bei Gegenständen im Labor durchgeführt, bei denen ein Verdacht auf Blutspuren besteht.
Was ist Chemilumineszenz?
Von Chemilumineszenz ist immer dann die Rede, wenn bei einer chemischen Reaktion ein Elektron aus einem angeregten, energiereichen Zustand in einen energetisch tiefer liegenden Zustand (ggf. den Grundzustand) zurückfällt und die überschüssige Energie in Form von Licht abgegeben wird. Im Grunde funktioniert das Prinzip so: Wird einem Molekül von außen ein entsprechend hoher Energiebetrag zugeführt, kann ein Außenelektron die Energie aufnehmen und in einen höheren Zustand (Schale) (n=2) wechseln. Dieser Zustand ist jedoch sehr instabil und das Molekül fällt innerhalb von Nanosekunden wieder zurück in seine Ausgangsposition (n=1). Dabei wird die aufgenommene Energie in Form von Licht abgegeben.

Die Reaktion

Das wohl bekannteste Beispiel für die Chemilumineszenz ist der, auch im Schulunterricht beliebte, Luminol-Versuch. Hier verlinke ich ein Video, das genau diesen Versuch in Aktion zeigt. Grundsätzlich werden dafür zwei Lösungen benötigt. In einer Lösung wird das Luminol in verdünnter Natronlauge gelöst, in einer anderen Lösung Wasserstoffperoxid mit Kaliumhexacyanoferrat. Letzteres dient als Katalysator (= Stoff, der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion beschleunigt). Diese beiden Lösungen werden erst kurz vor dem Gebrauch miteinander vermischt.
Beim Zusammenmischen oxidiert das Luminol in Gegenwart von Wasserstoffperoxid dann in mehreren Stufen zum hochreaktiven Diazachinon. Dieses zerfällt und gibt dabei Stickstoff frei. Anschließend bildet sich mit der Natronlauge das Natriumsalz der 3-Aminophthalsäure, welches sich im angeregten Zustand befindet. Das Elektron springt aus der energiereichen Schale zurück in die energieniedrigere und die dadurch überschüssige Energie wird in Form von blauem Licht abgegeben.
Die Reaktion muss nicht in Gänze verstanden werden. Mir war es jedoch wichtig, das oben beschriebene Prinzip noch einmal aufzugreifen. Die einzelnen Reaktionsschritte und Reaktionsgleichungen im Detail kannst du hier nachlesen.

Übrigens: Party-Knicklichter beruhen ebenfalls auf dem Prinzip der Chemilumineszenz. Du hast bestimmt schon mal eins in der Hand gehabt und gesehen, dass sie aus zwei verschiedenen, in Röhrchen getrennten Flüssigkeiten bestehen. Knickt man es dann, bricht das dünne Röhrchen, die Flüssigkeiten verbinden sich und die Reaktion findet unter Lichtabgabe statt.
Die Anwendung
Sprüht man dieses Gemisch nun auf vermutete Blutspuren am Tatort, katalysiert das im Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) gebundene Eisen die beschriebene Reaktion und ein etwa 30-sekündiges blaues Leuchten der Spuren kann beobachtet werden. Das Eisen als Katalysator wirkt bereits in sehr geringer Konzentration, weswegen eine winzige Blutmenge ausreicht, um das blaue Licht zu erhalten. Die Reaktion funktioniert jedoch nur bei getrockneten Blutspuren, da dabei das Eisen (Fe2+) im Hämoglobin zu dreiwertigem Eisen (Fe3+) bzw. Methämoglobin wird, was zusammen mit Luminol eine starke Chemilumineszenz bewirkt. Die Luminolsprühmethode kann Blutverdünnungen bis zu 1:10.000 und bei optimalen Bedingungen bis zu einem Verhältnis von 1:1.000.000.000 (Milliarde) sichtbar machen. Selbst auf bereits gewaschenen Kleidungsstücken können Blutspuren mithilfe von Luminol nachgewiesen werden.
Nicht zu vergessen bei der Anwendung der Methode ist eine ausführliche Fotodokumentation. Meist wird zunächst der entsprechende Bereich unter Normalbeleuchtung fotografiert und danach derselbe mit Luminol besprühte Bereich mit Langzeitbelichtung. In der Nachbearbeitung können diese Fotos dann übereinander gelagert werden, sodass die Größe, Form und Position der Spur deutlich werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die sichtbar gemachten Spuren unter Umständen nicht die originalen Größenverhältnisse aufweisen, da diese durch die Verwendung von Luminol verändert werden können.
Berücksichtigungen bei der Anwendung
Die Chemilumineszenz ist nicht blutspezifisch, d.h. nicht immer handelt es sich bei den blau leuchtenden Flecken um Blut. Einige anderen Substanzen können ebenfalls nach Luminolanwendung reagieren. So zeigte eine Untersuchung von 200 haushaltsüblichen Produkten sowie einzelnen organischen Substanzen, dass fünf davon eine Lumineszenzreaktion zeigten. Darunter beispielsweise Hygienereiniger, Schimmelentferner und Wurzelgemüsesorten wie Meerrettich.
Um die leuchtenden Substanzen auch wirklich sicher als Blutspuren identifizieren zu können, werden Blutvortests durchgeführt. Zum Beispiel mit dem Bluestar-Obti Test: Die mutmaßliche Blutprobe wird aufgenommen und in ein Röhrchen mit einem Transportmedium gefüllt. Diese Mischung wird dann auf einen Teststreifen gegeben und nach wenigen Minuten erscheinen, bei positivem Ergebnis, zwei rote Linien. Mit diesem Test lässt sich z. B. auch menschliches Blut von tierischem unterscheiden.
Zudem ist es wichtig, dass vor dem Einsatz von Luminol oder anderen chemischen Methoden, genug Spurenmaterial für eine DNA-Analyse bei Seite gelegt wird. Geringe und gleichmäßig aufgetragene Mengen Luminol haben keinen wesentlichen Einfluss auf die DNA, wohingegen große Mengen die DNA zerstören kann.
Alternativen zu Luminol
Ein weiteres Reagenz zum Nachweis von Blutspuren ist Leukokristallviolett (LCV). Eingesetzt wird es zur Darstellung von Fuß- und Fingerabdrücken sowie als Blutnachweismethode. LCV ist ein sogenannter Triphenylmethanfarbstoff, der in Lösung mit Wasserstoffperoxid, mit dem Farbstoff des Hämoglobins reagiert. Bei dieser Reaktion kommt es dann zu einem violett-bläulichem Farbumschlag, der im Gegensatz zu Luminol, auch unter Normalbeleuchtung sichtbar ist. Eine weiterführende DNA-Untersuchung ist nach Anwendung von LCV nicht mehr möglich.
Des Weiteren haben Wissenschaftler aus den USA mit Wärmebildtechnik Blutspuren auf Gewebe sichtbar machen können. Dazu brachten sie Wasserdampf auf eine blutbefleckte Probe und fotografierten sie mit einer Infrarotkamera. Die dadurch entstehende Temperaturerhöhung ist mit Infrarot gut zu erkennen und auch auf unbestimmte Zeit sichtbar, solange der Wasserdampf den Blutfleck feucht hält. Diese Methode könnte nach Angaben der Wissenschaftler in Zukunft eine sinnvolle Alternative zu Luminol darstellen. Zudem sei sie auch schonender, da der Wasserdampf die Blutflecken nicht zusätzlich verdünnt oder zerstört.
Kurz und Knapp
- Um nicht sichtbare Blutspuren sichtbar zu machen gibt es eine Reihe von Methoden:
- Forensische Lichtquellen bei maskierten Blutspuren zur Kontrastvestärkung (Absorptionsverhalten von Blut)
- Chemische Methoden wie die Luminolsprühmethode oder Leukokirstallviolett (LCV)
- Das „leuchtende Blut“ bekannt aus Film und Fernsehen ist das Ergebnis einer chemischen Reaktion mit Luminol.
- Es beruht auf dem Prinzip der Chemilumineszenz.
- Bei der Chemilumineszenz wird Energie in Form von Licht abgegeben.
- Mit der Luminolsprühmethode können selbst auf gereinigten Oberflächen und Kleidungsstücken Blutrückstände nachgewiesen werden.
- Sprüht man Luminol auf Blutspuren wirkt das Eisen in unserem Blut als Katalysator für die Reaktion.
- Die Methode ist nicht blutspezifisch und kann auch mit anderen Substanzen reagieren.
- Zum eindeutigen Nachweis müssen Blutvortests durchgeführt werden.
Was lernen wir daraus? Waschen, putzen und sogar Wände überstreichen bringt bei Blutspuren am Ende alles nichts. Die Wahrheit kommt im wahrsten Sinne des Wortes immer ans Licht!
Bleib sicher und neugierig!
– Kathy
Titelbild: Katharina Rieger
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