Mikroskopisch klein, enorm große Macht – die DNA-Spur
30. Oktober 2020 • Artikelserie Kriminaltechnik & Forensik

Werden biologische Spuren wie Blut, Speichel, Sperma, Haare oder Hautpartikel am Tatort gefunden, kann man aus ihnen ein DNA-Profil erzeugen. Dieses DNA-Profil ist charakteristisch für jedes Individuum und wird auch als genetischer Fingerabdruck bezeichnet. Für die Erzeugung eines genetischen Fingerabdrucks reichen bereits mikroskopisch kleine Spuren. Welche Schritte von der biologischen Spur zum genetischen Fingerabdruck notwendig sind, erfährst du unter anderem in diesem Artikel.
In der Kriminalistik sind DNA-Spuren von hoher Bedeutung, da man mit ihnen lebende oder tote Personen eindeutig identifizieren kann. Zudem geben sie Aufschluss darüber, ob ein Täter zum Tatort passt oder ob Leichenteile verschiedener Fundorte zusammengehören. Der genetische Fingerabdruck spielt aber nicht nur bei kriminalistischen Fragenstellungen eine wichtige Rolle, sondern wird beispielsweise auch bei Vaterschafts- und Verwandtschaftsermittlungen verwendet.
Die Basis stellt die DNA, sprich unsere Erbsubstanz dar. Diese ist, außer bei eineiigen Zwillingen, einzigartig. Jede unserer Körperzellen enthält die komplette Erbinformation, weswegen winzig kleine Spuren reichen, um einen individuellen genetischen Fingerabdruck zu erstellen. Aber erst mal zurück zum Tatort.
DNA-Spuren am Tatort
Je nach Verbrechen kann ein Täter auf verschiedene Weisen DNA-Spuren am Tatort hinterlassen. Gab es physischen Kontakt zwischen Täter und Opfer, können DNA-Spuren übertragen worden sein. Hat etwa ein Kampf mit blutigen Verletzungen stattgefunden, kann DNA aus Blutspuren am Tatort z. B. an Boden oder Gegenständen genommen werden. Bei Sexualstraftaten wird die DNA aus Spermaspuren am Opfer gewonnen. Andersherum kann die DNA des Opfers auch am Tatverdächtigen gefunden werden, beispielsweise durch Blut oder Haaren an seiner Kleidung. Hinterlässt der Täter Gegenstände wie Zigarettenkippen oder Kleidungsstücke oder berührt bei einem Einbruch Fenster und Türen ohne Handschuhe sind darauf ebenfalls DNA-Spuren zu finden.
Die Spurensicherung
Zunächst müssen diese Spuren natürlich erst einmal gesichert werden. Dafür ist eine sorgfältige Tatort-sicherung wichtig, damit Spuren nicht zerstört oder versehentlich eigene Spuren gelegt werden. Um eine Fremdkontamination zu vermeiden, ist das Tragen von Schutzanzügen und Handschuhen unabdinglich. Da die DNA aus verschiedenen Tatortspuren gewonnen werden kann, kommen je nach Gegebenheit verschiedene Spurensicherungstechniken zum Einsatz. Mit der Abreibtechnik können Spuren auf nichtporösen Oberflächen mit einem trockenen oder angefeuchteten Tupfer sowie mit Klebefolien gesichert werden. Die Abklebetechnik eignet sich bei porösen Oberflächen wie Textilien. Blutspuren auf Kleidung z. B. sollten aber in jedem Fall zusätzlich ausgeschnitten werden. Auch am Körper des Leichnams, etwa an den freiliegenden, vom Täter möglicherweise berührten Stellen, wie Hände und Gesicht, werden auf diesen Weisen Spuren gesichert. Die gesicherten Spuren werden auch als Asservate bezeichnet und brauchen je nach Art des Beweismittels unterschiedliche sterile Behälter und Sicherheitsverpackungen. Auch eine in der Regel kühle und trockene Lagerung der Asservate auf dem Weg ins Labor ist sehr wichtig, da Wärme die Spuren unbrauchbar machen kann.




DNA – wie war das noch gleich?
Bei dem ein oder anderen ist der Biounterricht vielleicht schon etwas länger her. Kein Problem. Hier folgt eine kurze Auffrischung der wichtigsten Punkte.

Die DNA (engl. Deoxyribonucleic acid) zu Deutsch Desoxyribonukleinsäure (kurz: DNS) ist ein langes, spiralförmig gedrehtes Makromolekül, auf dem unsere Erbinformationen liegen. Die DNA befindet sich im Zellkern jeder Zelle unseres Körpers (mit Ausnahme der roten Blutkörperchen) und liegt dort gebündelt in Form von Chromosomen vor. Im Normalzustand ist die DNA in Form einer Doppelhelix aufgebaut, bestehend aus zwei sich umwindenden Einzelsträngen. Diese bestehen aus je drei Grundbausteinen, den sogenannten Nukleotiden. Ein Nukleotid setzt sich aus einem Zucker (Desoxyribose), einem Phosphatrest und einer von vier organischen Basen (Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin) zusammen. Dabei lagern sich jedoch immer nur Adenin mit Thymin sowie Cytosin mit Guanin zusammen an. Die gesamte DNA ist aus mehreren Milliarden dieser Basenpaare aufgebaut, die in unterschiedlicher Abfolge die Doppelhelix bilden.
In der DNA gibt es bestimmte Abschnitte, die Gene, die die eigentlichen Erbinformationen codieren. Sie enthalten den „Bauplan“ für die Bildung bestimmter Proteine. Somit tragen sie auch den individuellen Bauplan unseres Körpers mit allen damit verbundenen Funktionen. Diese Abschnitte machen jedoch nur ca. 3 Prozent der gesamten DNA aus. Der überwiegende Teil der DNA (97 Prozent) ist „nicht-codierend“, d.h., sie enthält keine Erbinformation (Gene) für die Sequenz von Proteinen. Innerhalb dieser nicht-codierenden Bereiche gibt es Abschnitte, die aus Wiederholungen derselben kurzen Basenpaarsequenzen bestehen. Diese kurz hintereinander auftretenden Wiederholungen nennt man Short Tandem Repeats (STRs). Und genau diese jeweilige Anzahl an STRs ist von Individuum zu Individuum verschieden, weshalb ihre Untersuchung u.a. zur Identifizierung von Tätern genutzt wird.
DNA-Fingerprinting – die Methode
Um nun aus den am Tatort gesicherten Spuren einen genetischen Fingerabdruck zu erstellen, kommen im Labor zwei molekularbiologische Methoden zum Einsatz. Zunächst muss die DNA mithilfe der PCR vervielfältigt und anschließend mittels Elektrophorese aufgetrennt und sichtbar gemacht werden.
- Die PCR
Mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (engl. polymerase chain reaction = PCR) können ausgewählte DNA-Sequenzen künstlich vervielfältigt werden. Wie das im Detail funktioniert, soll diese Grafik veranschaulichen.

Als erstes isoliert man die zu vervielfältigende DNA-Sequenz aus der Spur. Danach fügt man verschiedene „Zutaten“ hinzu:
- Polymerasen (Enzyme, die für die Verdopplung der DNA zuständig sind)
- Nukleotide (die Grundbausteine der DNA s.o.)
- Primer (künstliche, kurze Nukleotidketten als Starter für Polymerase)
Dieses Gemisch kommt dann in ein kleines Plastikröhrchen und wird in einen sogenannten Thermocycler gestellt.
1. Im ersten Schritt wird bei einer Temperatur 94-96° der DNA-Doppelstrang aufgetrennt. Dieser Prozess wird Denaturierung (engl. Denaturation) genannt.
2. Im zweiten Schritt folgt die Primerhybridisierung (engl. Primer Annealing), bei der das Gemisch auf 65-68° (genaue Temp. hängt von Primer ab) abgekühlt wird, sodass sich die Primer an den Einzelsträngen anlagern können.
3. Als dritter Schritt bindet die DNA-Polymerase (gelb in der Abb.) an DNA und Primer an und synthetisiert die entsprechenden Nukleotide, die für die Bildung des neuen Strangs notwendig sind.
Innerhalb weniger Minuten sind nun aus einem Doppelstrang zwei identische Doppelstränge geworden. Dieser Vorgang kann anschließend 30-40 Mal wiederholt werden, wobei es jedes Mal zu einer Verdopplung der ausgewählten DNA kommt.
- Die Gelelektrophorese

Mit der Gelelektrophorese kann man Moleküle voneinander trennen und sichtbar machen. Um die vervielfältigten DNA-Kopien (STRs) miteinander vergleichen zu können, müssen sie nach ihrer Länge sortiert werden. Dies wird mithilfe einer Gelmatrix, durch die die Moleküle wandern können und einem elektrischen Feld (eine Seite positiv, eine negativ geladen) erreicht. Die DNA-Mischung ist negativ geladen und wandert daher unter Einfluss des elektrischen Feldes zum positiven Pol. Da die Moleküle unterschiedlich groß und damit unterschiedlich stark oder schwach geladen sind, wandern kürzere Moleküle schneller und längere langsamer durch das Gel. Nach diesem Prinzip lagern sich Moleküle mit gleicher Größe in bestimmten Banden zusammen an. Dieses dabei entstehende individuelle Bandenmuster kann anschließend mit Farbstoffen und UV-Licht sichtbar gemacht werden.

Vergleicht man also die am Tatort gefundene DNA mit der DNA eines Tatverdächtigen, wäre das Bandenmuster im Falle einer Übereinstimmung identisch. Allein die Übereinstimmung der DNA reicht natürlich noch nicht aus, um einen Täter zu überführen. Werden beispielsweise DNA-Spuren an oder in der Nähe einer Leiche gefunden, heißt das zunächst nur, dass die Person am Tatort war oder Kontakt zur Verstorbenen Person hatte, nicht aber, dass sie auch der Mörder ist. Nicht jeder genetische Fingerabdruck führt automatisch zum Täter.
Eine ähnliche, aber modernere und schnellere Trennmethode stellt die Kapillarelektrophorese dar. Dabei wird die DNA, ebenfalls über ein elektrisches Feld, durch eine dünne Kapillare geleitet an dessen Ende ein Laser installiert ist. Kleinere DNA-Moleküle wandern hier auch schneller durch die Kapillare als größere. Zuvor werden die Primer mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert, der später mithilfe des Lasers zum Leuchten gebracht wird. Dieses Leuchten wird dann ermittelt und erscheint bei der Auswertung als Spitze (Peak). So kann jede Farbe gespeichert und in die entsprechende Base umgeschrieben werden, für die die jeweilige Farbe steht.
Nach Durchführung dieser Verfahren ist der genetische Fingerabdruck erstellt. Die unterschiedlichen Fragmentlängenprofile werden als Zahlenmuster gespeichert. So ist ein schneller Vergleich der Ergebnisse in einer Datenbank möglich. Der genetische Fingerabdruck ist am Ende also nicht mehr als eine Tabelle.
Speicherung
Die genetischen Fingerabdrücke werden in der DNA-Analyse-Datei (DAD) beim Bundeskriminalamt (BKA) gespeichert. Die Datenbank gibt es seit 1998 in Deutschland und umfasst ca. 1,2 Millionen Datensätze. Darunter ca. 870.000 Personendatensätze (genetische Fingerabdrücke) und 358.000 Spurendatensätze, also Tatortspuren unbekannter Personen (Stand März 2020). Im vergangenen Jahr konnten knapp 19.000 Spuren einem Spurenverursacher zugeordnet werden und mehr als 5.100 Spur-Spur-Treffer verzeichnet werden. Spur-Spur-Treffer sind Spuren von demselben Spurenverursacher an verschiedenen Tatorten. Feste Löschfristen für die genetischen Fingerabdrücke gibt es übrigens nicht. Nach § 77 Abs. 1 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) muss aber in regelmäßigen Abständen geprüft werden, ob die Speichervoraussetzungen für die Daten noch gegeben sind. Wenn dies nicht der Fall ist und sie beispielsweise zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind, müssen die Daten gelöscht werden.
Ausweitung der DNA-Analyse
Bis Ende 2019 durfte die DNA-Analyse rechtlich gesehen ausschließlich zur Identifizierung von Personen genutzt werden und nicht, um sonstige Eigenschaften wie äußerliche Merkmale herauszufinden. Außer dem Geschlecht wurden bis dato keine weiteren Informationen erfasst. Genau dies änderte aber vor einem Jahr ein Gesetzesentwurf. Der 2017 von den beiden Ländern Bayern und Baden-Württemberg vorgestellte Antrag, sollte die DNA-Analyse auf die Merkmale Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie Alter ausweiten. Bayern wünschte sich sogar eine Analyse der biogeografischen Herkunft.
Im Dezember 2019 ist das Gesetz zur „Modernisierung des Strafverfahrens“ dann in Kraft getreten. Sofern unbekannt ist, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen jetzt Untersuchungen über Augen-, Haar und Hautfarbe sowie über das Alter gemacht werden.
Über das Für und Wider des Entwurfs sprachen diverse Punkte. So handelt es sich bei der Analyse von den gewünschten Merkmalen um Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Befürworter sagten hingegen, dass Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe keine Informationen seien, die nicht auch von Zeugen oder Videokameras aufgenommen werden könnten. Nicht erlaubt ist weiterhin die Bestimmung der biogeografischen Herkunft. Die Bundesregierung hat sich aus Sorge vor Diskriminierung und Racial Profiling bewusst dagegen entschieden.
An der Verlässlichkeit dieser erweiterten Analyse wird auch gezweifelt. Grundsätzlich lassen sich damit nur Wahrscheinlichkeiten für ein bestimmtes Merkmal ableiten. Diese lägen zwar in einem relativ hohen Prozentbereich, unterscheiden sich aber je nach Augen-, Haar und Hautfarbe. Bei einer gemischten Augenfarbe z. B. wird die Genauigkeit der Vorhersage zusätzlich geringer. Auch das eindeutige Alter kann nicht vorhergesagt werden. Möglich sind Abweichung von drei bis fünf Jahren, in Einzelfällen sogar von bis zu zehn Jahren.
Einerseits ist es gut, dass es weitere Methoden gibt, den Kreis der Tatverdächtigen einzugrenzen. Andererseits besteht damit auch die Chance, dass die Polizei sich aufgrund der DNA-Ergebnisse fehlleiten lässt. Wenn statt einer blonden Person, eine braunhaarige gesucht wird, können sich die Ermittlungen verzögern. Von der Tatsache, dass sich Personen, durch Haare färben etc., optisch auch jederzeit verändern können mal ganz abgesehen.
Kurz und Knapp
Genetischer Fingerabdruck
- Schritt 1: Sicherung biologischer Spuren am Tatort (Blut, Hautpartikel, Haare, Speichel, Sperma)
- Schritt 2: Erzeugung des genetischen Fingerabdrucks mit molekularbiologischen Methoden
- PCR: DNA wird vervielfältigt (Auftrennen des DNA-Doppelstrangs, Synthese von neuen Einzelsträngen durch Enzyme)
- Elektrophorese: DNA wird getrennt und sichtbar gemacht
- Ergebnis: genetischer Fingerabdruck/DNA-Profil in Form von einem individuellen Banden- bzw. Zahlenmuster
- Schritt 3: Speicherung in DNA-Analyse Datei (DAD) und Vergleich entweder:
- direkt mit einer Vergleichsspur eines Tatverdächtigen (z. B. Speichelabstrich)
- mit der Datenbank der DAD
Ganz schön krass, was man aus winzigen Zellen so alles lesen kann, oder? Was denkst du über das geänderte Gesetz? Schreib mir gerne einen Kommentar!
Bleib sicher und neugierig!
– Kathy
Titelbild: Katharina Rieger
Du recherchierst selbst zu diesem Thema, bist interessiert und möchtest wissen, welche Quellen ich für diesen Artikel verwendet habe? Hier geht’s zu den Quellenangaben.