Keiner wie der andere – der Fingerabdruck

14. Oktober 2020 • Artikelserie Kriminaltechnik & Forensik

Ob Einbruch, Überfall oder Mord. Eine der ersten Spuren, nach denen Tatorte untersucht werden, sind eventuell hinterlassene Fingerabdrücke. Denn jeder Mensch besitzt einen individuellen Fingerabdruck, auch Zwillinge. Für die Kriminalpolizei gehört dieses einzigartige Erkennungsmerkmal daher zu den wichtigsten Spuren, sei es z. B. zur Identifikation von Tätern oder unbekannten Toten. Wie Fingerabdrücke überhaupt entstehen, wie genau sie am Tatort gesichert werden und was dann damit passiert, soll dieser Artikel zeigen.

 

Jeder hat wahrscheinlich schon mal seinen Finger auf ein Stempelkissen und dann auf ein Blatt Papier gedrückt oder hat seinen Fingerabdruck zum Entsperren seines Smartphones, Tablets oder Laptops hinter-legt. Bei beiden Szenarien werden die feinen Hautrillen auf unseren Fingerkuppen besonders gut sichtbar. Diese sogenannten Papillarleisten ziehen sich von den Fingerkuppen über die Handinnenflächen sowie auch über unsere Fußsohlen.

 

Wie entsteht ein Fingerabdruck?

Forscher sind sich unsicher, wie genau die Papillarleisten des Fingerabdrucks entstehen. Fakt ist: Die grundsätzliche Bildung der Hautleisten wird genetisch beeinflusst, die individuellen Muster und Merkmale darin aber nicht. Es gibt drei verschiedene Grundmuster, in die man unterscheidet: Wirbel-, Schleifen- und Bogenmuster. Jeder Mensch besitzt eine unterschiedliche Anzahl dieser Grundmustertypen, die auch von Finger zu Finger variieren können. Sie bilden sich zwischen dem dritten und vierten Embryonalmonat und bleiben danach ein Leben lang gleich. Doch welche Faktoren im Mutterleib die Bildung der individuellen Muster beeinflussen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

 

Die verschiedenen Grundmuster. Bild: Katharina Rieger

Eine Theorie ist, dass die Muster das Ergebnis von Spannungen sind, bedingt durch das unterschiedlich schnelle Wachstum der Haut. Zunächst sind die Fingerkuppen des Embryos nämlich durch starke Blutzufuhr aufgebläht und die Oberhaut ist gespannt. In dieser Zeit vermehrt sich die darunterliegende Keim-schicht durch Zellteilung. Lässt die erhöhte Blutzufuhr dann nach, fällt die Haut in sich zusammen und faltet sich in einer bestimmten Anordnung.

 

Im übertragenden Sinn ist es vergleichbar mit einem Heißluftballon. Aus ihm entweicht der gasförmige Inhalt und der Ballon fällt in sich zusammen. Dabei entsteht am Boden ein zufälliges Faltungsmuster. Führt man gleiches Prozedere wieder durch, entsteht ein neues, anderes Faltungsmuster. Aber auch zufällige Faktoren wie Stress und der Ernährungszustand der Mutter sowie Bewegungen des Embryos im Fruchtwasser könnten Ursache für die Muster der Papillarleisten sein.

 

Die Daktyloskopie

Das kriminalistische Verfahren, das sich mit der Personenidentifizierung anhand dieser Papillarleistenabbilder beschäftigt, ist die sogenannte Daktyloskopie. Der Begriff leitet sich aus den griechischen Wörtern („daktylos“ = Finger) und („skopein“ = Beschauen) ab. Vor mittlerweile 117 Jahren wurde die „Fingerschau“ bzw. das Finger-abdruckverfahren in Deutschland eingeführt und spielt seitdem bei polizeilichen Ermittlungen eine wichtige Rolle. Als eine der bekanntesten Identifizierungsmethoden hat die Daktyloskopie einen hohen Stellenwert und ist als Beweiswert durch den Bundesgerichtshof (BGH) uneingeschränkt anerkannt.

 

Welche Arten von Fingerabdruckspuren gibt es?

Daktyloskopische Spuren wie Fingerabdrücke können am Tatort patent (sichtbar) oder latent (nicht sichtbar) vorliegen. Je nach Übertragung des Fingerabdrucks handelt es sich entweder um Eindruck- oder Abdruck-spuren. Bei einem Eindruck kommt es zu einem Abbild der Papillarleisten in formbares Material, wie z. B. auf Dichtmasse an Fenstern oder nicht getrockneten Farben. Material kann aber auch abgetragen werden z. B. durch Eindrücke in dünne Farb-, Fett- oder Staubschichten. Diese Eindruckspuren sind meist gut erkennbar. Bei einem Abdruck hingegen werden die an der Haut befindlichen körpereigenen Substanzen auf eine Ober-fläche übertragen. Die Übertragungsspuren durch Hautauscheidungssubstanzen wie Schweiß und Talg sind am häufigsten am Tatort anzutreffen und nicht sichtbar. Des Weiteren ist eine Übertragung von körper-fremden Substanzen wie Öl, Fett, Farbe, Blut oder anderen Flüssigkeiten, die sich an den Fingerkuppen befinden, möglich.

 

Fingerabdrücke sichtbar machen: Alles eine Frage des Materials

Zunächst einmal wird versucht, einen möglichen Tathergang zu rekonstruieren, um so Bereiche zu identi-fizieren, in denen sich vermutlich Fingerabdrücke des Täters befinden. Im zweiten Schritt erfolgt die Spuren-suche. Dabei bestimmt der Untergrund bzw. das Material, nach welcher Methode, die Fingerabdrücke sichtbar gemacht werden. Das Material ist bei der Spurensicherung also von großer Bedeutung. Grundsätzlich unter-scheidet man zwischen saugenden und nichtsaugenden Spurenträgern. Zu den saugenden Trägern zählen absorbierende Stoffe wie z. B. Papier und Holz. Sie nehmen den übertragenden Fingerabdruck auf. Nicht-saugende Träger wie beispielsweise Glas, Metall und Plastik sind nicht absorbierend und stoßen Feuchtigkeit ab. Auf ihnen liegt der Fingerabdruck daher nur oberflächlich auf. Bei der Spurensichtbarmachung unter-scheidet man in drei verschiedene Methoden: die optische, die physikalische und die chemische Methode. Im Folgenden werden jeweils die gängigsten Verfahren vorgestellt.

  • Bei der optischen Spurensuche wird mit speziellen Lichtquellen versucht Spuren sichtbar zu machen. Zum Einsatz kommt u. a. UV-Licht und Fluoreszenzlicht. Hierbei kommt es u.a. auf den Beleuchtungswinkel an. Mit schräg gehaltenem Licht fast parallel zum Spurenträger können Unebenheiten besonders auf glatten Flächen wie Glas und Metall gut sichtbar gemacht werden.

    Spurensicherungspulver aufgetragen mit einem Magnetpinsel. Bild: Pemm, Magna Brush, CC0 1.0, via Wikimedia Commons, bearbeitet K.R
  • Zu den physikalischen Methoden gehört das, was bestimmt aus Film und Fernsehen bekannt ist: das Einstäuben mit Rußpulver. Dieser Vorgang zählt zu den sogenannten physikalischen Adhäsionsver-fahren, bei denen meist pulverförmige Substanzen mit einem speziellen Pinsel (z. B. ein Zephir-Pinsel aus Glasfasern oder ein Magnetstab) auf den Fingerabdruck aufgetragen werden. Die Pulverpartikel bleiben dann an den feuchten und fettigen Bestandteilen der Fingerabdruckspuren haften und machen den Abdruck so sichtbar. Neben Ruß werden auch Eisenpulver oder verschiedene fluoreszierende und farbige Pulver verwendet.

  • Die Fingerabdruckanalyse mit chemischen Methoden findet nicht am Tatort statt, sondern unter Laborbedingungen. Bei absor-bierenden Oberflächen wie Holz und Papier werden die Spuren-träger mit chemischen Reaktionsmitteln bedampft, besprüht
    Durch Besprühen mit Ninhydrin wird der Fingerabdruck in violetter Farbe sichtbar. Bild: pixabay, bearbeitet K.R

    oder in sie getränkt. Eines der gängigsten chemischen Verfahren zur Spurensichtbarmachung ist die Bedampfung mit Cyanacrylat, oder auch: Sekundenkleber. Dieser wird erhitzt und die dabei entstehenden Dämpfe verbinden sich mit den Aminosäuren in den Fingerabdrücken und hinterlassen einen weißen Niederschlag auf den Spuren. Papier wird beispielsweise mit der chem-ischen Verbindung Ninhydrin besprüht. Ninhydrin ist die bekannteste und am häufigsten verwendete Substanz zur Visualisierung von Fingerab-drücken auf Papier. Es reagiert ebenso mit den Aminosäuren aus dem Schweiß und färbt den Fingerabdruck violett.

Sicherung der Fingerabdrücke

Sind die Spuren dann sichtbar gemacht, erfolgt die Sicherung der Finger-abdrücke mittels Spurensicherungsfolien. Das sind meist durchsichtige Klebefolien, die vorsichtig auf die Spur aufgetragen werden, anschließend abgezogen und auf eine Spurenkarte übertragen werden. Dunkel sichtbar gemachte Spuren z. B. durch Rußpulver werden auf eine weiße Karte geklebt, helle Abdrücke auf eine schwarze. Je nach Farbe des Adhäsionsmittel können zur Sicherung auch andere Folien mit unterschiedlicher Klebekraft und Farbe verwendet werden. Hauptsache ein optimaler Farbkontrast von der abgetragenen Spur zum Untergrund ist gegeben. Eine andere, digitale und berührungsfreie Sicherungsmöglichkeit ist die Fotografie.

 

Und dann ab in die Datenbank

Nachdem die Fingerabdrücke auf den Spurenkarten gesichert wurden, werden sie in das Automatische Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) eingescannt. Das AFIS gibt es seit 1993 in Deutschland und er-möglicht, Fingerabdrücke digital zu speichern und zu vergleichen. Die Speicherung der Fingerabdrücke erfolgt beim Bundeskriminalamt (BKA). Nach Angaben des BKA sind in der Datenbank Fingerabdrücke von 5,3 Millio-nen Personen und 444.000 Tatortspuren (Stand: März 2020) gespeichert. Circa 60.000 digitale Fingerabdruck-blätter verarbeitet das BKA pro Monat. Im Jahr 2019 erzielte es monatlich rund 19.300 Identifizierungen auf Basis von Fingerabdruckvergleichen. Neben Fingerabdrücken und Tatortspuren speichert das BKA in seinen erkennungsdienstlichen Datenbanken auch DNA-Profile und Lichtbilder von Personen.

 

Minutien in einem Fingerab-druckbild hervorgehoben durch rote Kästchen. Zu erkennen z. B. Linienverästelungen (oben+rechts unten), Lücken (rechts oben) oder kleine Häkchen (links)  Bild: pixabay

Das AFIS basiert auf der Codierung anatomischer Merkmale, der soge-nannten Minutien, die in den Finger- und Handflächenabdrücken abgebildet sind. Als Minutien (lat. für Kleinigkeiten) werden feine Endpunkte und Verzweigungen der Papillarleisten bezeichnet. Diese charakteristischen Punkte und Hautrillen sind wie eingangs beschrieben bei jedem Menschen individuell. Deshalb sind sie zur Identitätsprüfung mittels Fingerabdruck sehr gut geeignet. Das System erkennt diese Minutien automatisch und vergleicht sie mit dem Code der bereits gespeicherten Fingerabdruck-spuren. Binnen kürzester Zeit kann so festgestellt werden, ob sich tatver-dächtige Personen bereits im Referenzbestand befinden und schon einmal in eine Straftat verwickelt waren.

 

Natürlich werden nicht nur am Tatort gesicherte Fingerabdrücke im AFIS gespeichert und verglichen, sondern auch „live“ aufgenommene z. B. im polizeilichen Streifendienst. Seit der Einführung der „Livescan“-Technologie 2004 können Finger- und Handflächenabdrücke digital aufgenommen und seit 2006 auch ohne Zeitverzug im AFIS recherchiert werden. Zuverlässige Personenidentifizierungen sind so direkt möglich.

 

Wie läuft das im Detail ab?

Nachdem die Fingerabdrücke digitalisiert oder direkt digital aufgenommen wurden, wird das Rohbild in mehreren Bildverarbeitungsschritten angepasst. Innerhalb dieser Schritte werden z. B. Kontrastunterschiede angepasst, nicht Fingerabdruckbereiche ausgeblendet oder bestimmte Filter verwendet, die die Papillar-leisten besonders dünn und sichtbar machen. Genaueres dazu hier. Zum Schluss erfolgt die Merkmals-extraktion, bei der das Grundmuster und die Minutien als unterscheidende Merkmale identifiziert werden.

 

Bei einem Fingerabdruck wird generell in drei Informationsebenen unterschieden. Erstens das Vorhandensein des Grundmusters (Schleife, Wirbel oder Bogen), zweitens anatomische Merkmale (Minutien) und drittens Besonderheiten, wie Narben oder Poren. Bei einer Personenidentifizierung mittels Fingerabdruck spielen diese drei Ebenen eine wichtige Rolle. In einem Strafverfahren gilt nach der deutschen Rechtsprechung der Identitätsnachweis als geführt, wenn das Grundmuster und acht Minutien übereinstimmen. Wird das Grund-muster nicht erkannt, sollten mindestens 12 Minutien übereinstimmen. Abschließend wirft ein echter Mensch, sprich ein Fachmann für Daktyloskopie noch mal ein Auge auf die Bilder und verifiziert die Ergebnisse.

 

Kritik an der Daktyloskopie

Die Daktyloskopie gilt seit Ende des 19. Jahrhunderts als wichtige Identifizierungsmethode und wurde häufig sogar als unfehlbar dargestellt. Und dass, obwohl sie nie streng nach wissenschaftlichen Maßstäben auf Fehleranfälligkeit untersucht wurde. Ein berechtigter Anlass für Kritiker. So hat eine Arbeitsgruppe der American Association for the Advancement of Science (AAAS) die Zuverlässigkeit der Daktyloskopie untersucht. Nach ihnen erlauben es die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht, zu sagen, dass sich mit Fingerabdrücken nur eine einzige Person identifizieren lässt. Die Arbeitsgruppe kritisiert u. a., dass der Seltenheitswert eines speziellen Merkmals (bspw. Papillarlinienenden) oder von Merkmalskombinationen nicht genau festzulegen ist. Man könne gar nicht wissen, wie viele Personen die gleiche Kombination von Merkmalen aufweisen. Demnach dürften Fingerabdrücke vor Gericht auch nicht als unbezweifelbares Element verwendet werden. In der Vergangenheit ist es nämlich durchaus schon zu falschen Verurteilungen gekommen, da es Menschen mit sehr ähnlichen Papillarleisten gibt. Der berühmteste Fall ist der von Brandon Mayfield.

 

Zudem spielen Fehler bei der Sichtbarmachung und Sicherung des Abdrucks immer wieder eine Rolle. Kleinste Verwischungen und Verzerrungen verringern die Qualität des Fingerabdrucks, sodass das Risiko einer falschen Übereinstimmung steigt.

 

Kurz und Knapp

  • Die Daktyloskopie gilt als eine der bekanntesten Identifizierungsmethoden in der Kriminalistik.
  • Wie genau er entsteht, ist bis heute nicht endgültig geklärt.
  • Der Fingerabdruck ist:
    • einmalig: jeder Mensch hat individuelle Papillarleisten
    • zufällig: das Muster bildet sich während der Embryonalentwicklung in einem Zufallsprozess
    • konstant: im Laufe des Lebens verändert sich das Muster nicht 
  • Um Fingerabdrücke sichtbar zu machen, gibt es verschiedenste optische, physikalische und chemische Methoden.
  • Welche Sichtbarmachungsmethode angewandt wird, bestimmt das Material.
  • Aufgenommene Fingerabdrücke werden im AFIS gespeichert und mit den Beständen des BKA verglichen.
  • Für eine Personenidentifizierung mittels Fingerabdruck werden das Papillarleistengrundmuster und die Minutien verwendet.

Und, welches Grundmuster haben deine Papillarleisten? Wirbel, Schleife, oder Bogen? Oder gleich mehrere? Schau gerne nach und schreib mir einen Kommentar! Bei mir sind die Leisten der rechten Hand eindeutig schleifig, wohingegen die Leisten der linken Hand eher ein Bogenmuster aufweisen. 

 

Bleib sicher und neugierig!

– Kathy

Titelbild: Pxhere/Alan Levine  (CC BY 2.0)

 

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